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Interview: Chatbots im Customer Service

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Interview: Chatbots im Customer Service

Die Relevanz von Chatbots nimmt immer weiter zu und sie finden mittlerweile auch im Customer Service häufig Einsatz. Im folgenden Interview mit Michaela Homann, Head of Technical Customer Communications bei EOS in Deutschland, möchten wir das Thema näher beleuchten und herausfinden, wohin sich dieser Trend entwickelt.

Welchen Mehrwert sehen Sie im Einsatz von Chatbots im Customer Service?

Chatbots stellen aus meiner Sicht einen echten Mehrwert für automatische, synchrone Kommunikation mit direkter Antwort dar. Gerade für den Erstkontakt bieten die Bots enormes Potenzial und können bisherige Lücken schließen. So stellt bei uns in der Inkassobranche die anonyme Kommunikation einen großen Vorteil dar, weil sie beispielsweise bei einigen säumigen Zahler*innen die Hemmschwelle senkt, mit uns in Kontakt zu treten. Neben dem Erstkontakt können die digitalen Helfer aber auch bei klassischen Fragen wie „Wo finde ich was?“ sofort und unkompliziert helfen ohne dass zig FAQ-Unterseiten durchsucht werden müssen. Und ein weiterer Pluspunkt: Die Bots nehmen den Mitarbeitenden kleinteilige Routineaufgaben ab.

Diese Entlastung ist nicht zu unterschätzen, da sich die Mitarbeitenden auf kritischere und beratungsintensivere Fälle konzentrieren können. So bleibt mehr Zeit und Raum für persönliche Weiterentwicklung und sinnstiftende oder erfolgsrelevantere Tätigkeiten. Mit der Einbindung digitaler Helfer im Customer Service lässt sich also eine vielversprechende Arbeitsteilung schaffen, die am Ende Vorteile für alle Seiten mit sich bringt.

Spielt der Faktor Mensch in der Betreuung der Kundschaft zukünftig überhaupt noch eine Rolle?

Die Angst, dass der Mensch im Kund*innenservice durch den Chatbot vollständig ersetzt wird, ist aus meiner Sicht unbegründet. Ganz im Gegenteil: Die menschlichen Kolleg*innen haben ihr Ohr ganz nah an sowohl internen als auch externen Zielgruppen. Diese Verknüpfung und der menschliche Faktor machen sie weiterhin unverzichtbar. Hinzu kommt, dass es die Expertise und die Erfahrungswerte der Mitarbeitenden zur stetigen Verbesserung der digitalen Serviceleistungen braucht. Ihre Meinung kann bei der Konditionierung der Chatbots einen wichtigen Unterschied machen.

Was wird auf der jeweiligen Seite erwartet? Wo gab es in der Vergangenheit vergleichbare Fälle? Welche Use Cases lassen sich nutzen? Und insbesondere in sensiblen Geschäftsbereichen sind immer wieder sehr individuelle und empathische Lösungen gefragt, die nicht nach „Schema- F“ funktionieren. Da stoßen Chatbots schlicht an Grenzen. Wenn dies der Fall ist, finde ich es besonders wichtig, dass die Bots serviceorientiert und nahtlos an eine reale Person übergeben können, die dann übernimmt. Das sollten Unternehmen direkt in der Entwicklung mitdenken, um Kund*innen nicht zu frustrieren.

Wie kann die Servicequalität der Chatbots, also die Genauigkeit der Antworten, sichergestellt werden?

Chatbots können für den Customer Service ein absoluter Game Changer sein. Aber nur, wenn eine hohe Servicequalität sichergestellt ist. Das knüpft an das eben Beschriebene an. Die Nutzer*innen müssen themenbezogen immer eine vernünftige Antwort erhalten und dürfen nicht in ein sogenanntes Dead-End geraten. Vor allem Antworten wie „Entschuldigung, ich habe sie nicht verstanden.“ nerven und dürfen im Idealfall nicht vorkommen. Dafür ist es immens wichtig, die Datenbasis kontinuierlich zu verbessern. Bei schlecht gemanagten oder noch in der Entwicklung befindlichen Bots kann es sonst zu absurden Antworten kommen. Die stetige Weiterentwicklung der Servicequalität der Chatbots ist für Unternehmen eine der wichtigsten Aufgaben, die es entsprechend intensiv nachzuhalten gilt. Und wenn der Bot bei einer Anfrage letztlich nicht helfen kann, muss er eine sinnvolle Alternative bieten oder zumindest den Rückruf eines Mitarbeitenden vorschlagen.

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Welche (Prozess)Schritte sind nötig, um eine automatisierte Service-Kommunikation im Unternehmen einzuführen?

Zunächst gilt es gemeinsam mit dem Kund*innenservice die vorhandenen Daten auszuwerten und konkrete Use-Cases auszuwählen. Die Mitarbeitenden können aus der Erfahrung heraus schnell identifizieren, in welchen Situationen die Bots den meisten Mehrwert bringen. Wenn die Datenbasis steht und ein klares Bild über die Anwendungsfälle vorliegt, folgen zwei wichtige Prozessschritte, die aufwendig sein können und bei der Zeitplanung berücksichtigt werden müssen: die Auswahl der Technik und das Thema Datenschutz. Grundsätzlich stellt das Zusammenbringen der verschiedenen Infrastruktur-Technologien immer wieder eine Herausforderung dar. Und um zukunftsfähig zu sein, sollten technologische Trends, beispielsweise die Weiterentwicklung von Text- zu Voice-Bots, selbstverständlich früh berücksichtigt werden.

Die intensive Beschäftigung mit Datenschutzrichtlinien ist zwar ein oftmals aufwendiges, aber gerade in Deutschland sowie in sensiblen Branchen besonders wichtiges Thema. Im letzten Schritt geht es dann um das gemeinsame Lernen. Bots sind immer nur so gut, wie die Mitarbeitenden, die mit der kontinuierlichen Steuerung und Optimierung betraut sind und die Bedürfnisse der Kundschaft kennen. Um einen Chatbot erfolgreich am Laufen zu halten und zu etablieren, gilt es zudem die Ergebnisquote im Blick zu behalten und auf Basis unterschiedlicher Kennzahlen stetig auszuwerten: Wie viele der vom Bot bearbeiteten Fälle wurden abgebrochen und warum? Wie lässt sich das optimieren? Die Arbeit ist eben nicht damit getan, einen Chatbot zu entwickeln, sondern erfordert einen kontinuierlichen Produktentwicklungsprozess.

Blick in die Zukunft: Wie wird sich die Rolle/ der Stellenwert von Chatbots in den nächsten 10 Jahren verändern? Sehen Sie schon erste Entwicklungstrends?

Ein erfreuliches Ergebnis unserer EOS Chatbot-Studie 2021 ist, dass viele Unternehmen den Trend und Vorteil dieser vielversprechenden Technologie erkannt haben und deren Chancen zukünftig noch stärker nutzen wollen. So plant über ein Viertel der Befragten bereits die qualitative Optimierung ihrer Bots. Und jedes zweite Unternehmen strebt sogar eine qualitative und quantitative Weiterentwicklung an. Das zeigt, dass die Basis auf jeden Fall gelegt ist. Gerade mit Hilfe stetiger Konditionierung durch menschliche Kolleg*innen wird die Entwicklung der Bots einen deutlichen Schub bekommen.

Besonders vielversprechend sind Voice-Bots und der verstärkte Einsatz von künstlicher Intelligenz. Ich bin mir sicher, dass Sprachassistenten die textbasierten Chatbots mehr und mehr ablösen werden. In Bezug auf ethische Aspekte ist dann aber vor allem ein Punkt nicht verhandelbar: Transparenz. Es sollte zu jeder Zeit klar sein, wann es sich um die Kommunikation mit einem Chatbot handelt. Sicherlich werden die Unterschiede bei einfachen Anliegen in Zukunft immer weniger spürbar, dennoch kommt eine Verschleierung aus ethischer Sicht für mich nicht infrage.

Chatbots Customer Service

Transparenzhinweise zum Beitrag:

Michaela Homann

Michaela Homann ist seit März 2021 Head of Technical Customer Communications bei EOS in Deutschland und treibt die digitale Kommunikation des Finanzdienstleisters mit dem Fokus auf säumige Verbraucher*innen voran. Im Zentrum ihrer Tätigkeit steht neben der Optimierung technischer Prozesse und Produkte für bestehende Kommunikationskanäle auch der Aufbau neuer Kanäle. Diese sind wesentlicher Bestandteile analytisch gesteuerter und automatisierter Inkassoprozesse. Zuvor war die IT-Expertin Head of Digital Product Management Excellence & Business Modelling beim E-Commerce Unternehmen bonprix.

Die EOS Gruppe ist einer der führenden technologiebasierten Finanzinvestoren und Experte bei der Bearbeitung offener Forderungen. Schwerpunkt ist der Ankauf von unbesicherten und besicherten Forderungsportfolios. Mit über 45 Jahren Erfahrung und Standorten in 26 Ländern bietet EOS seinen rund 20.000 Kund*innen weltweit smarte Services rund ums Forderungsmanagement. Im Fokus stehen Banken sowie Unternehmen aus den Bereichen Immobilien, Telekommunikation, Energieversorgung und E-Commerce. EOS beschäftigt mehr als 6.800 Mitarbeiter*innen und gehört zur Otto Group.

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