Die Redaktion, unter der Leitung von Matthias Weber, hat mit Christian Fischer, Geschäftsführer von TecArt, ein Interview zum Thema „digitale Assistenten und künstliche Intelligenz (KI)“ durchgeführt. Das ERP-Interview liefert spannende Einblicke in die Vision zukünftiger Softwaregenerationen.
5 Fragen an Christian Fischer von TecArt zum Thema digitale Assistenten und künstliche Intelligenz (KI)
Auf unsere 5 Fragen zum Thema digitale Assistenten und künstliche Intelligenz (KI) gibt uns Christian Fischer, Geschäftsführer von TecArt Antworten.
1. Assistenz-Systeme helfen bei der täglichen Arbeit und führen durch Programme. Wie wichtig werden alternative Eingabemethoden wie Gesten und Sprache?
Die Steuerung von Software mittels Gesten oder Sprache ist längst keine Fiktion mehr. Smartphones und Tablets werden ausschließlich über Touchgesten gesteuert. Aber erst mit der xBox 360 und dem Kinect-Sensor hat Microsoft eine Gestensteuerung im freien Raum ermöglicht. Aktuell sind die meisten Anwendungen für Gesten noch im Consumer-Freizeit-Bereich zu finden. Doch, wie bei den mobilen Endgeräten, wird auch hier eine Verschmelzung von Freizeit und Beruf stattfinden. Ich glaube allerdings, dass die meisten Anwendungen eher im Bereich Industrie 4.0, Forschung und Medizin zu finden sein werden. Mit „MoviA“ hat der VW-Konzern eine Machbarkeitsstudie für die berührungslosen Interaktionen mit 3D-Modellen entworfen. Die Gestensteuerung im freien Raum ermöglicht eine viel stärkere Interaktion mit komplexen 3D Objekten. So können in den Planungsprozess auch „Nicht-Experten“ einfacher eingebunden werden.
Im täglichen Büroalltag halte ich allerdings die Sprachsteuerung für viel wichtiger. Laut Gartner wird der Markt für Sprachassistenten 2021 3,52 Milliarden Dollar groß sein. Aktuell liegt er noch bei 0,72 Milliarden Dollar. Ob diese Geräte auch Einzug im B2B halten werden, hängt einzig und allein am Datenschutz. Aktuell ist es für europäische Unternehmen nicht bzw. nur mit sehr großen Umständen möglich, die Vorteile der Sprachassistenten zu nutzen, weil personengebundene Daten über US-Clouds verarbeitet werden. Entgegen dem aktuellen Trend werden VPA (Virtual Personal Assistance) ihre KI auf dem Gerät statt der Cloud haben. Dann kann die Verarbeitung der personengebundenen Daten offline stattfinden. So können VPAs, wie Amazons Echo, dann z.B. CRM Skills datenschutzkonform verarbeiten.
2. War Microsoft ® mit Karl Klammer seiner Zeit voraus? Woran ist die damalige Implementierung aus Ihrer Sicht gescheitert?
Karl Klammer starb durch einen Mix aus fehlendem Nutzerkontext und aufdringlichem Design. Er zeigte sich schon beim ersten Tippen ungefragt und wackelte so lange herum bis man ihn weggeklickt hat. Allerdings war er beim nächsten Dokument oder einer weiteren Bearbeitung schon wieder ungefragt präsent. Stand man aber wirklich vor einem Problem, glänzte Karl Klammer eher durch Abwesenheit. Vielleicht war die Technologie noch nicht so weit den Nutzerkontext besser zu erkennen?
Überraschend in diesem Zusammenhang finde ich nur die Aussagen von Roz Ho, ehemalige Microsoft Managerin, die das Karl Klammer Debakel vorhergesehen hat. Anhand von „Focus-Group“-Tests haben sich vor allem Frauen schon vor Einführung der Funktion sehr negativ geäußert. Der Rest ist eine Geschichte gescheiterter Verbesserungen bis zur Einstellung der Funktion.
3. Welchen Nutzen sehen Sie in der Verwendung von künstlicher Intelligenz (KI) in kaufmännischer Software?
Hierzu möchte ich vorab erst mein Verständnis für KI erklären. Ich sehe KI als selbstlernende Intelligenz, wobei das Ziel nach wie vor durch den Nutzer vorgegeben wird. Mit Hilfe von KI werden für ein ganz bestimmtes Problem eine bzw. mehrere Lösungen vorgeschlagen. Die Beurteilung, bezogen auf den gesamten Unternehmenskontext, bleibt Sache des Menschen.
Den größten Vorteil sehe ich in der Zeitersparnis für Unternehmen. In jeder Abteilung gibt es Hilfstätigkeiten, die überwiegend Zeit kosten, aber nicht das eigentliche Business voranbringen.
Mit Hilfe von Chatbots lassen sich z.B. Kundenanfragen zu Problemen vorqualifizieren und priorisieren. Das entlastet den Kundenservice. Dieser kann sich schneller mit der Lösung des Problems als mit der Suche nach der Ursache beschäftigen. Im Vertrieb und Marketing können Kundenpotenziale auf nicht monetärer Basis schneller ermittelt werden. So lassen sich mit weniger Aufwand neue Zielgruppen auf Basis des eigenen Kundenstammes finden. Ganz ohne zeitraubende Auswertungen von Statistiken und Studien. In der Buchhaltung kann das Risiko durch Zahlungsstörungen minimiert werden, in dem für Neukunden die optimale Zahlungsart vorgeschlagen wird. Typische Verbrauchsgüter in einem Unternehmen können mit Hilfe von KI automatisch bestellt werden. Am Ende steht aber hinter jeder möglichen KI Anwendung einer kaufmännischen Software die Automatisierung von Hilfstätigkeiten.
4. Welche Rolle spielt Big Data in Bezug auf Assistenz-Systeme und KI?
Mit KI und Big Data verhält es sich wie mit Ihren Sinnesorganen und dem Gehirn. Das eine funktioniert ohne das andere nicht. Die Sinnesorgane nehmen die Informationen aus der Umwelt auf. Das Gehirn verarbeitet diese und erkennt Muster auf diese dann wiederum entsprechend reagiert wird.
Mit Hilfe von Big Data werden alle möglichen unstrukturierten Daten gesammelt und verarbeitet. Dabei geht es vor allem um Geschwindigkeit und eine mögliche Echtzeitverarbeitung. Doch was tun Sie mit all diesen Daten? Wie können Sie diese Daten so aufbereiten, dass es einen echten Mehrwert für Ihr Unternehmen gibt? Genau da setzt KI an. Sie clustert die Daten nach Vorgaben und/oder neuen Methoden und findet Muster. Durch das Erkennen dieser Muster können, z.B. Assistenz-Systeme, Vorschläge für Cross-Selling Produkte zu bestimmten Kunden ermitteln.
5. Wird es irgendwann noch Menschen geben, die eine kaufmännische Software benutzen, oder kommunizieren Kunden künftig direkt mit dem System und das Programm handelt autonom?
Wie bei fast allen Dingen wird es nicht absolut sein. Sicher wird Software gleich kaufmännisch oder anderer Natur immer autonomer handeln. Ich kann mir vorstellen, dass z.B. Wartung und Reparatur von Maschinen ausschließlich zwischen Kunden und kaufmännischer Software geplant werden kann. Die Software meldet sich automatisch per E-Mail beim Kunden mit dem Anliegen und passenden Terminvorschlägen. Der Kunde bestätigt den Termin. Die kaufmännische Software bucht den Auftrag, bestellt mögliche Ersatzteile und informiert das Reparatur-Team.
Dass Kunden künftig völlig auf eine menschliche Beratung und Betreuung verzichten wollen, kann ich mir nicht vorstellen. Unter dem Strich lebt jedes Unternehmen von seinen Beziehungen. Software ist nicht dazu da den Menschen zu ersetzen. Sie soll den Menschen die Arbeit erleichtern.
Interviewpartner: Christian Fischer, Geschäftsführer von TecArt