KI revolutioniert Arbeit, Kreativität und das menschliche Denken. Doch was, wenn die Abkürzungen, die sie uns bietet, uns langfristig schwächer machen? Coach Stefan Sterzenbach sieht in der Technologie nicht die Gefahr selbst, sondern unsere Bequemlichkeit im Umgang mit ihr. Im Interview erklärt er, warum mentale Stärke und Selbstführung zu den Schlüsselfähigkeiten der Zukunft gehören.
Frage 1: Herr Sterzenbach, Sie sagen, KI wirkt wie Science-Fiction, die Realität geworden ist. Wann haben Sie persönlich gespürt: „Jetzt ist die Zukunft da“?
Als ich zum ersten Mal gesehen habe, wie eine Maschine in Sekunden Texte schreibt, für die Menschen früher Tage gebraucht hätten. Da wurde mir klar: Wir sind an einem Wendepunkt. Nicht, weil KI etwas „Neues“ kann, sondern weil sie plötzlich Dinge übernimmt, die wir als zutiefst menschlich empfunden haben: Sprache, Kreativität, Entscheidung.
In meinen Coachings erlebe ich genau diesen Moment bei Unternehmern regelmäßig: Faszination kippt in Überforderung. Viele spüren intuitiv, dass Technologie uns nicht nur Arbeit abnimmt, sondern auch eine Verantwortung – nämlich, selbst klar zu denken und zu fühlen. In diesem Spannungsfeld entscheidet sich, wer in der Zukunft führt und wer sich führen lässt.
Frage 2: Viele sehen KI vor allem als Effizienztreiber. Sie warnen jedoch vor Bequemlichkeit. Woran erkennen Sie, dass diese Gefahr real ist?
Weil ich täglich Menschen erlebe, die Geschwindigkeit mit Wachstum verwechseln. KI ermöglicht Abkürzungen und das klingt verführerisch. Aber jede Abkürzung, die du zu oft nimmst, schwächt deinen inneren Muskel.
Bequemlichkeit beginnt nicht mit Faulheit, sondern mit dem Gedanken: „Warum mich anstrengen, wenn es auch so geht?“ Genau da passiert der Bruch. Denn Erfolg, Klarheit, Fokus – all das entsteht durch bewusste Anstrengung. KI nimmt uns diese Reibung. Und ohne Reibung entsteht kein Charakter.
Eine Studie der University of Stanford zeigte, dass Menschen, die Entscheidungen regelmäßig delegieren, auch an Systeme, über die Zeit eine messbar geringere Aktivität im präfrontalen Cortex entwickeln. Das ist der Teil des Gehirns, der für Selbststeuerung zuständig ist. Das bedeutet: Wer zu oft den Autopiloten nutzt, verlernt zu steuern.
Frage 3: Welche kognitiven Fähigkeiten verlieren wir Ihrer Meinung nach, wenn wir uns zu sehr auf KI verlassen?
Konzentration, Problemlösungskompetenz und kreative Eigenleistung. Unser Gehirn ist ein Muskel und Muskeln bauen ab, wenn sie nicht gefordert werden.
Wenn KI alle Entscheidungen vorbereitet, verlernen wir, komplex zu denken. Wenn sie alle Ideen liefert, verlernen wir, zu kombinieren. Wenn sie alle Antworten kennt, verlernen wir, zu fragen.
In Coachings sieht man das deutlich: Menschen sind oft überinformiert, aber innerlich leer. Sie konsumieren Wissen, ohne es zu integrieren. Das gefährliche dabei? Wir verlieren die wichtigste Fähigkeit, die wichtigste Fähigkeit des Menschen: Bewusstsein – die Fähigkeit, innezuhalten und zu reflektieren: Was denke und fühle ich eigentlich selbst?
Frage 4: Gibt es Beispiele im Alltag, in denen wir durch KI unsere eigene Anstrengung verlernen?
Überall. Der Autofahrer, der sich blind auf das Navi verlässt und ohne Gerät keine Orientierung mehr hat. Der Schüler, der ChatGPT nutzt, statt eine Aufgabe selbst zu durchdringen. Oder der Manager, der Entscheidungen auf „Datenmodelle“ schiebt, um Verantwortung zu vermeiden.
Das Problem ist nicht die Nutzung, sondern die Haltung dahinter. Wenn wir alles automatisieren, verlieren wir das Vertrauen in unsere eigene Urteilsfähigkeit. Coaching arbeitet genau an dieser Stelle: am Wiederaufbau von Selbstvertrauen, Fokus und intuitiver Entscheidungsstärke. Denn wer sich selbst nicht führt, lässt sich irgendwann führen – von Algorithmen, Meinungen oder Ängsten. Und wer keinen klaren inneren Kompass mehr hat, ist steuer- und manipulierbar durch das Außen.
Frage 5: Was können wir tun, um nicht von KI abhängig zu werden?
Das Wichtigste ist: Bewusstheit trainieren.
KI ersetzt keine Selbstführung. Wir brauchen mentale Routinen, die unseren Fokus schärfen – tägliche Reflexion, klare Prioritäten, Zeiten ohne Input. Mentaltechniken wie Visualisierung, Achtsamkeitsmeditation und Affirmationen sind mögliche Varianten, um das Erhalten und Steuern des Fokus zu trainieren.
Ich sage immer: Nutze KI wie ein Trainingspartner im Gym. Lass sie dich unterstützen, aber heb die Gewichte selbst. Wenn du den Schmerz meidest, verlierst du die Kraft.
Spannend ist eine Studie der Harvard Business School, die zeigt: Führungskräfte, die regelmäßig mentales Training oder Coaching in ihren Alltag integrieren, treffen unter Unsicherheit signifikant bessere Entscheidungen, selbst dann, wenn sie KI-Systeme nutzen. Warum? Weil sie den mentalen Muskel trainiert haben, zwischen Automatisierung und Bewusstsein zu unterscheiden.
Frage 6: Wo ist die Grenze zwischen sinnvoller Unterstützung und gefährlicher Abkürzung?
Die Grenze liegt dort, wo du aufhörst, dich zu fordern. Wenn KI dir Zeit verschafft, damit du dich auf Wesentliches konzentrieren kannst – wunderbar. Wenn sie dich davon abhält, dich selbst zu entwickeln – gefährlich.
Die entscheidende Frage lautet: Macht mich die Nutzung bewusster oder bequemer?
KI kann dich nicht faul machen. Aber sie verstärkt das, was du bist. Wenn du diszipliniert bist, wirst du produktiver. Wenn du unsicher bist, wirst du abhängiger. Coaching hilft dabei, genau diese Selbstwahrnehmung zu stärken, damit du erkennst, wann Effizienz zur Flucht wird.
Frage 7: Welche Verantwortung tragen Bildung und Unternehmen, damit wir KI richtig nutzen lernen?
Eine immense. Schulen und Unternehmen müssen verstehen: KI ist nicht nur ein Tool, sie ist ein Spiegel. Sie zeigt uns, wo wir Bewusstsein, Ethik und Empathie vernachlässigt haben.
Unternehmen brauchen Räume, in denen Menschen lernen, Verantwortung nicht abzugeben, sondern zu kultivieren. Coaching-Programme, die mentale Stärke, emotionale Intelligenz und Selbstführung fördern, sind keine „Soft Skills mehr“, sondern knallharte Überlebenskompetenzen.
Kinder müssen früh lernen, dass Technologie kein Ersatz für Denken ist, sondern ein Verstärker. Und Führungskräfte müssen begreifen, dass Tools keine Kultur schaffen. Menschen tun das.
Frage 8: Wenn Sie einen Ratschlag geben müssten: Wie gelingt es, KI produktiv zu nutzen, ohne sich selbst zu verlieren?
Mach dir bewusst, warum du sie nutzt. Wenn du KI nutzt, um dich zu erweitern, wirst du wachsen. Wenn du sie nutzt, um dich zu vermeiden, wirst du verkümmern.
Coaching hilft dabei, diese innere Trennlinie klarzuziehen. Es bringt dich zurück zur Frage: Was will ich wirklich gestalten und was will ich nur vermeiden?
Die Zukunft verlangt keine Supermenschen, sondern bewusste Menschen. Menschen, die Technologie nutzen, aber ihr Menschsein nicht auslagern. KI zeigt uns, wie effizient wir sein können. Und Mentaltraining zeigt uns, wie lebendig wir wirklich sind.
Über Stefan Sterzenbach:

Slatco Sterzenbach hat 17 IRONMAN erfolgreich absolviert und ist Experte für mentale und physische Peak Performance für Unternehmer.







