Oliver Bärwollf, Produktmanager und Senior Sales Consultant bei TecArt, gibt seine Experten Meinung zum Thema digitale Plattformen
Die Forderung nach einer Plattform-Ökonomie im ERP-Segment ist nachvollziehbar und im Grunde sehr unterstüzenswert. Für den Kunden haben Mehrwertdienste, die sich rund um eine Hauptlösung gruppieren und mit einem Klick installieren lassen, eine hohe Anziehungskraft.
Für manche, kleinere Feature-Erweiterungen und Schnittstellen zu weniger komplexen Diensten kann das ein Weg sein. Der Vergleich zu den standardisierten Consumer-Plattformen hält jedoch dann nicht mehr Stand, wenn man ein ERP-Projekt in seiner üblichen Komplexität betrachtet.
Standard-Schnittstellen zu komplexen Drittsystemen sind im B2B-Bereich ungleich schwerer zu vermarkten, als eine App im Appstore. Das individuelle Customizing jeder einzelnen Software ist die erste Herausforderung und macht einen Standard, der für alle Nutzer taugt, de facto unmöglich. Da reicht auch ein Feld-Mapping zwischen den Datenbanken nicht mehr. Die speziellen Anforderungen jedes Kunden an die Schnittstelle/Middleware zwischen zwei Systemen sind ebenfalls sehr divergent. Die Konfigurationsoberflächen wären eventuell in vielen Fällen mächtiger als die Schnittstelle an sich.
Ich unterstütze die Forderung nach definierten Schnittstellen für jede ERP-Software, die professionell umgesetzt und sauber dokumentiert sind. Viele Softwareanbieter entziehen die Gewährleistung bei einem direkten Datenbankzugriff auf ihr System oder lassen dieses Szenario in einer Grauzone. Definierte Schnittstellen, Server-API und Webservices stellen in der Regel einen sauberen Datenaustausch sicher und vermitteln auch vertragliche Sicherheit.
Unternehmen als ERP-Kunden sehen natürlich gern, wenn es bereits eine „Standard-Schnittstelle“ für die Anbindung von System XYZ gibt. Möglich wäre, je nach Art der zu verbindenden Softwaresysteme, ein Basis-Set an Funktionen, die sich auch als Standard vermarkten lassen. Dem einen reicht das Basis-Set vielleicht schon, für den anderen muss auch dieses noch erweitert werden. Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass solche Standard-Schnittstellen und Add-on’s eigene Produkte sind, die ihrerseits entwickelt, vermarktet, gewartet, beraten und supported werden müssen! Das bindet Ressourcen in allen wichtigen, und oft auch kritischen, Bereichen eines Softwarehauses: Entwicklung, Systemadministration, Support, Produktmanagement, Vertrieb, Consulting.
Zudem ist die Schnittstelle oder das Add-on abhängig, von den Release-Zyklen von gleich mindestens zwei Software-Systemen zwischen denen der Datenaustausch stattfindet. Hinzu kommen ggf. Updates und Upgrades der Plattform/Infrastruktur, auf der die Lösung angeboten und bereitgestellt wird. Dem geneigten Leser ist bekannt, dass App-Entwickler mit jeder Neuerung des Plattformbetreibers (Apple, Google) viel Aufwand haben, die App darauf anzupassen. Es ist nie so, dass eine Lösung entwickelt wird und dann einfach nur verkauft werden muss.
Die pauschale Forderung, es IT-Giganten wie Google, Apple oder Amazon gleich zu tun, greift im ERP-Bereich deutlich zu kurz. Bemerkenswert sind die Beispiele für Plattformen und deren Betreiber ohnehin: Bis auf wenige Ausnahmen handelt es sich um große Konzerne, ohne direkten Bezug zu den eigenen Kunden. Der Vergleich lässt die Eigenheiten des B2B-Segments und gerade auch der hiesigen, mittelständisch geprägten IT-Branche außen vor. Jeder Anbieter einer Lösung und jedes Softwarehaus begibt sich in diesem Gedankenspiel in eine Abhängigkeit zum jeweils anderen. So entstehen komplexe Vertragsverhältnisse, die ein mögliches Risiko für die Compliance auf Kundenseite darstellen.
Das Bitkom-Papier betrachtet zudem die (langfristige) Finanzierung solcher Projekte nicht wirklich. Vielen Kunden sagt ein Subscription-Lizenzmodell nicht zu und es ist sicher nicht die Lösung für die Herausforderungen der Vernetzung zwischen den Systemen. Und wieder darf der Vergleich zu den Consumer-Plattformen kritisiert werden, denn Apps für Smartphones und Tablets werden inflationär vermarktet und sind für den Nutzer beliebig austauschbar. Die Kostenlos-Mentalität lässt den Nutzer vergessen, wie aufwendig eine App ist und dass sie eben nicht kostenlos zu haben ist – doch welches Unternehmen möchte schon eine Lösung, die sich aus dem Verkauf der eigenen Daten finanziert?
Autor: Oliver Bärwolff, Produktmanager und Senior Sales Consultant bei TecArt
Über TecArt GmbH:
Die inhabergeführte TecArt GmbH mit Hauptsitz in Erfurt ist einer der technologisch führenden Hersteller und Anbieter browserbasierter Unternehmenssoftware weltweit. Seit 1999 entwickelt das Unternehmen integrierte Software-Lösungen mittels Webtechnologien und verfügt über umfassende Kompetenzen in der Entwicklung und Bereitstellung hochprofessioneller IT-Systeme.
TecArt bietet eine ganzheitliche Business Plattform sowie weitere modulare Lösungen für klassische Anwendungen, wie CRM (Customer Relationship Management), ERP (Enterpreise Ressource Planning), Faktura und Groupware. Nach dem Firmen-Credo „einfach.besser.machen!“ werden in individuellen Kundenprojekten bedarfsgerechte Lösungen für diverse Einsatzbereiche und Branchen entwickelt, für die es meist keine Standardlösungen am Markt gibt. Die Software vereint somit die Vorteile einer sicheren, bestehenden Standard-Software mit der Flexibilität einer Individuallösung. Ergänzt wird die Software durch Add-ons und Schnittstellen zu Drittsystemen, die es ermöglichen automatisierte Workflows, B2B-Kundenportale oder spezielle Anforderungen abzudecken.