Die Innenstädte sterben nicht, aber sie werden sich verändern (müssen). Eine E-Commerce-Steuer, wie Sie jüngst Raoul Rossmann, Erbe und Gesellschafter der Drogeriekette Rossmann, forderte, wird den stationären Handel nicht vor dem Wandel bewahren.
E-Commerce-Steuer: Der Kampf David gegen Goliath?
Ist dies das Gefecht David gegen Goliath? Soll die Sondersteuer für den Onlinehandel die clevere Steinschleuder darstellen, die den E-Commerce-Giganten – für Rossmann in Gestalt von Amazon – in die Knie zwingt? Der Versuch einen Kampf zwischen Online- und stationärem Handel durch eine solche Maßnahme zugunsten der kleinen und ehrlichen Ladengeschäfte entscheiden zu wollen, scheint auf den ersten Blick lobenswert. Zumal dies Rossmann zufolge der einzige Weg sei, um Milliarden-Investitionen in die Innenstädte zu vermeiden. Dabei benötigen die Innenstädte Investitionen, um den stationären Handel und sein Umfeld attraktiv, vor allem aber zukunftssicher zu machen.
Gewinner und Verlierer der Pandemie – ein Trugschluss
Dass die Besucherzahlen in den Ladengeschäften seit Jahren rückläufig sind, sich diese Entwicklung mit der Corona-Krise verschlimmert habe und dadurch zahlreiche Existenzen in Gefahr sind – all dies scheint Rossmanns Forderung zu legitimieren. Denn der Onlinehandel, der laut BEVH während der Pandemie 2020 ein Umsatzwachstum von über 11 Milliarden Euro (14,6 Prozent) im Vergleich zum Vorjahr verzeichnete, scheint der unbezwingbare Gegner zu sein, der den stationären Handel zu einem unfairen Kampf herausfordert. Doch wer das glaubt, irrt gewaltig. Betrachtet man das Verhalten der Kund*innen, zeigt sich eine komplexere Situation als die Frage: „Kaufe ich online oder im Laden?“
Die Versöhnung im Wandel
Hatte sich vor Corona noch niemand für Dienste wie Click & Collect interessiert, nahmen 2020 bereits 44 Prozent der Internetnutzer diesen Service in Anspruch und brachten dem Handel damit rund 4,6 Milliarden Euro ein. Zudem sind laut Handelsverband Deutschland knapp 60 Prozent der Kunden interessiert, diesen Dienst auch in Nach-Corona-Zeiten weiter zu nutzen. Es zeigt sich also, dass es hier gar nicht um einen Kampf geht. Vielmehr läuft es auf eine versöhnliche Verbindung der digitalen und physischen Welt in Form des Omnichannel Commerce hinaus. Funktionen wie Click & Collect, Click & Reserve oder Ship from Store eröffnen dem Handel neue Möglichkeiten. Bereits jetzt positionieren sich erfahrene Händler mit ihren Angeboten und Konzepten im Internet, um Ihre Kunden über alle analogen Touchpoints und digitalen Plattformen hinweg zu erreichen und zufriedenzustellen.
Eine Steuer gegen den Fortschritt
Der Handel entwickelt sich schon jetzt weiter. Eine Steuer würde den Wettbewerb in Deutschland verzerren und den Fortschritt, den wir im Handel brauchen, behindern. Händler und Unternehmen dürfen sich nicht zurückziehen und versuchen, den Impuls für die eigene Weiterentwicklung mit politischen Mitteln zu unterbinden – oder den E-Commerce gar besiegen wollen. Vielmehr braucht es den Mut zur Veränderung. Mit den passenden Technologien, die ja bereits vorhanden sind, lässt sich der Wandel wirkungsvoll unterstützen.
Fazit: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben
Die Digitalisierung bringt viele Fragen mit sich und nicht alle lassen sich pauschal und unmittelbar beantworten. Künstliche Schutzgebühren einzuführen oder andere Hürden für den E-Commerce aufzustellen, wird den Wandel nicht aufhalten, sondern – wenn überhaupt – nur verzögern. Und wer sich der Digitalisierung unserer Welt verweigert, der ist dazu verurteilt zu scheitern. Es sind also die kreativen Ideen und innovativen Lösungen, die den Wandlungsbereiten jetzt einen Vorsprung verschaffen können. Denn nicht alle haben vor, die Hände in den Schoß zu legen und alle Herausforderungen von sich fernzuhalten. Dies ist nicht der Kampf David gegen Goliath. Der Onlinehandel an sich ist nicht der Feind, den es zu bezwingen gilt oder der sich bezwingen ließe. Der Feind ist die Angst vor Veränderung.